Bildungslandschaften

Ekkehard Nuissl

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-038

Wie bei den Lernlandschaften bemühen B. eine positiv besetzte Analogie: das ökologische Bild immobiler (z. B. Berge, Täler) und mobiler Elemente (z. B. Tiere, Pflanzen) in einem harmonischen Zusammenwirken. Der Begriff B. ist ursprünglich ein Konzept der Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen, das darauf abzielt, Schulen mit anderen Bildungseinrichtungen im räumlichen Kontext (regional, kommunal, lokal) zu vernetzen und die Bildungswege der Jugendlichen durch Übergänge und Anschlüsse (Übergänge im Bildungssystem) zu erleichtern und zu verbessern (Bleckmann & Durdel, 2009; Nuissl, 2014).

Die räumliche Nähe von Bildungsangeboten wurde besonders im „Memorandum über Lebenslanges Lernen“ der Europäischen Union (2000) als eines der sechs politischen Ziele betont. Konkret werden B. insb. im Zusammenhang mit dem Standort und mit Netzwerken diskutiert: Standort als Ausgangs- und Mittelpunkt von B., Netzwerke als kommunikative und organisatorische Form. In der Ausgestaltung der B. gibt es zwei Hauptvarianten: (1) ein typanaloges und ein (2) typdiverses Netzwerk von Institutionen.

Zu (1). In typanalog gestalteten B. geht es hauptsächlich darum, den Lernenden individuelle Bildungsverläufe durch sinnvoll aufeinander bezogene und abgestimmte Bildungsangebote (Angebot) zu ermöglichen und eine größtmögliche Barrierefreiheit sicherzustellen. In diesen B. wird von selbstgesteuerten und selbstverantwortlichen Lernenden ausgegangen (Selbstorganisation – Selbststeuerung – Selbstlernen), die durch Bildungs-, Lern- und Laufbahnberatung (Beratung im Kontext lebenslangen Lernens), motivierende und aufsuchende Maßnahmen für bestimmte Zielgruppen (Zielgruppenorientierung) sowie Kooperationen von Lernorten unterstützt werden. Weitergehend sind hier auch eine Zusammenarbeit bei der Fortbildung des Personals (Weiterbildung der Weiterbildenden), ein gemeinsamer Service im Bereich von Wissen und Dokumentation sowie eine gemeinsame Vertretung von bildungspolitischen Perspektiven in Region und Kommune realisiert. Die Umsetzung und Gestaltung solcher B. hat oft Probleme rechtlicher (z. B. Schulgesetze) und ökonomischer Art (z. B. Ressourcen); auch wird sie durch eine Konkurrenz um öffentliche Mittel, Projekte und zahlende Lernende erschwert.

Zu (2). In typdivers gestalteten B. stehen die Übergänge aus dem Bildungssystem in Beruf und Betriebe, die Umsetzung regionaler Qualifikationsbedarfe (Erwachsenenbildung in der Region), die Zusammenarbeit mit Kulturinstitutionen, Behörden und Verbänden sowie die Motivierung zum Lernen und die Entstehung eines produktiven Systems einer lernenden Region oder Kommune im Vordergrund (Weiß, 2011). Weitergehende Ansätze sind hier z. B. eine gemeinsame Curriculumentwicklung (Curriculum), gemeinsame Evaluationen, Entwicklungsprogramme, ein Personen- und Kompetenzaustausch sowie ein Wechsel von Bildung und Arbeit. Problematisch sind hier häufig die unterschiedlichen Sprachen, Interessen, Werte und Weltvorstellungen, die auszugleichen und zu regeln sind. Speziell in der Erwachsenenbildung hat sich zudem das Konzept des Sozialraums (Sozialraumorientierung) herausgebildet, insb. im Sinne einer Orientierung der erwachsenenpädagogischen Angebote an Menschen, die in einem bestimmten Raum leben und arbeiten.

In jüngeren Diskussionen wird der Begriff „Raum“ kritischer diskutiert: Dieser sei kein mit B. zu füllender Behälter, sondern ein ständig reproduziertes Gewebe sozialer Praktiken. In der Tat kann man bei einer „Landschaft“ von einem organisch gewachsenen Zusammenhang der einzelnen Teile ausgehen; in B. ist dies erst herzustellen. Und auch B. befinden sich in steter Bewegung: Institutionen entwickeln sich, werden begründet und geschlossen, Menschen wandern ab und zu, Wettbewerbs- und Entwicklungsperspektiven verändern sich. Kritisch zu sehen ist zudem, wenn das Verständnis von B. zu sehr auf Institutionen (Institutionen der Weiterbildung) fixiert ist und das informelle Lernen der Menschen zu wenig berücksichtigt wird (formale – non-formale – informelle Bildung). In neuerer Perspektive stellt sich die Frage, ob B. auch im Kontext virtueller Welten existieren oder mit diesen verbunden sein können (digitales Lernen ).

Literatur

Bleckmann, P. & Durdel, A. (Hrsg.). (2009). Bildungslandschaften. Wiesbaden: Springer.

Europäische Kommission. (2000). Memorandum über Lebenslanges Lernen. Brüssel (BE): EK.

Nuissl, E. (2014). Bildungslandschaften – kooperative oder vernetzte Gestaltung als Prozess der Bestätigung und der Veränderung zugleich. Education Permanente, 3, 4–6.

Weiß, W. (2011). Kommunale Bildungslandschaften. Chancen, Risiken und Perspektiven. Weinheim: Beltz Juventa.

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