Susan Seeber
DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-021
Gesellschaftliche Entwicklungen (z. B. durch Demografie, Globalisierung, Technologie) haben einen nachhaltigen Einfluss auf den Arbeitsmarkt und die beruflich organisierte Erwerbstätigkeit. Die damit einhergehenden Veränderungen in den Geschäftsmodellen, der betrieblichen Arbeitsorganisation sowie den Arbeits- und Beschäftigungsformen schlagen sich in der Nachfrage nach und im Bedeutungswandel von Berufen sowie in der Entstehung neuer und veränderter Berufe nieder. Die interdisziplinär angelegte A.- u. B. beschäftigt sich v. a. aus ökonomischer und soziologischer Perspektive mit den Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Veränderungen des Arbeitssystems, beschreibt und erklärt Strukturen, Vorgänge und Zusammenhänge auf dem Arbeitsmarkt sowie in der Entwicklung von Berufen.
Aus ökonomischer Sicht wird der Arbeitsmarkt – insb. Makrozustände, Strukturen und Funktionsweisen – mit theoretischen und empirischen Modellen beschrieben (Hinz & Abraham, 2018, S. 9). Die Erforschung des Arbeitsmarkts und seiner Institutionen, der Veränderungen im Angebot von und in der Nachfrage nach Arbeitskräften erfolgt aus internationaler, nationaler und regionaler Perspektive. Dabei werden die Einflüsse von Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik (z. B. Effekte arbeitsmarktpolitischer Interventionen), aber auch betriebliche Beschäftigungspolitiken und die Passung von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage untersucht. Aus soziologischer Sicht wird der Arbeitsmarkt als ein in soziale Rahmenbedingungen eingebettetes gesellschaftliches Teilsystem betrachtet (→ System), bei dem die Austauschbeziehungen zwischen anderen Subsystemen wie dem Rechts-, Berufsbildungs- und beruflichen → Weiterbildungssystem, aber auch Herrschafts- und Machtverhältnisse innerhalb und zwischen den Subsystemen sowie ihren Institutionen analysiert werden (ebd., S. 9f.).
Die engen Verflechtungen von Qualifizierung (→ Qualifikation), Beruf und Betrieben werden gleichfalls in der A.- u. B. aufgegriffen, um Prozesse auf dem Arbeitsmarkt und deren Folgen für Individuen und → Gesellschaft zu beschreiben (Matthes & Vacari, 2020, S. 688). Das Berufskonstrukt als zentrale ökonomische und soziostrukturelle Kategorie wird für die Analyse von Arbeitsmarktallokationen sowie sozialen Positionierungen genutzt, jedoch erweitert um arbeits- und industriesoziologische (Hirsch-Kreinsen & Minsen, 2017) sowie berufspädagogische Sichtweisen, die den inhaltlichen Wandel beruflicher Tätigkeiten auf Berufsprofile sowie Implikationen für berufliche Aus- und Weiterbildung (→ berufliche Weiterbildung) untersuchen. Mit der Erforschung der Auswirkungen neuer Technologien auf Arbeitsmarkt (z. B. Nachfrage nach Berufen, veränderte Tätigkeitsmuster) und Beschäftigung (z. B. Qualifizierungsbedarf, Arbeitsorganisation, Arbeitsplatzgestaltung) werden v. a. die Dynamik von beruflicher Erstausbildung und Weiterbildung stärker in den Blick genommen und die Rolle von Betrieben beim lebenslangen Lernen (→ lifelong learning) erforscht. An dieser Stelle sind bspw. auch Verbindungen zwischen der A.- u. B. und der → Weiterbildungsforschung deutlich zu erkennen. Querschnittsthemen der A.- u. B. sind Lebenslagen und Teilhabechancen sowie geschlechts- und migrationsspezifische Segregations- und Ungleichheitsfragen. Die aufgezeigten Forschungsfelder werden methodisch über empirische Quer- und Längsschnitterhebungen quantitativer und qualitativer Art bearbeitet (→ Forschungsmethoden).
Zentrale Forschungs- und Politikberatungsinstitutionen sind das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der → Bundesagentur für Arbeit (BA) und das → Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Ein substanzieller Anteil der interdisziplinär ausgerichteten A.- u. B. ist an Universitäten in verschiedenen Fachrichtungen, u. a. Wirtschaftswissenschaft, Industrie-, Betriebs-, Organisations- und Bildungssoziologie, Berufs- und Wirtschaftspädagogik und → Erwachsenen- und Weiterbildung, sowie in weiteren Forschungsinstituten verankert.
Literatur
Matthes, B. & Vicari, B. (2020). Arbeitsmarktorientierte Berufsforschung. In R. Arnold, A. Lipsmeier & M. Rohs (Hrsg.), Handbuch Berufsbildung (S. 683–694). Wiesbaden: Springer VS.
Hinz, T. & Abraham, M. (2018). Theorien des Arbeitsmarktes. In M. Abraham & T. Hinz (Hrsg.), Arbeitsmarktsoziologie (S. 9–76). Wiesbaden: Springer.
Hirsch-Kreinsen, H. & Minssen, H. (2017). Lexikon der Arbeits- und Industriesoziologie (2. Aufl.). Baden-
Baden: Nomos.