Konrad Faber
DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-211
OER sind frei verfügbare Lehr- und Lernmaterialien. Auch wenn gedruckte Lehrbücher prinzipiell ebenso OER sein können, ist die Bedeutung von OER in den letzten Jahren gerade durch die Digitalisierung und die vielfältigen Möglichkeiten durch das Internet und den Computer gestiegen (→ digitales Lernen).
Eine der bekanntesten Definitionen ist im Rahmen der „Pariser Erklärung“ im Jahre 2012 auf dem OER-Weltkongress der United Nations Educational Scientific and Cultural Organization (UNESCO) formuliert worden: OER sind „Lehr-, Lern- und Forschungsressourcen in Form jeden Mediums, digital oder anderweitig, die gemeinfrei sind oder unter einer offenen Lizenz veröffentlicht wurden, welche den kostenlosen Zugang sowie die kostenlose Nutzung, Bearbeitung und Weiterverbreitung durch andere ohne oder mit geringfügigen Einschränkungen erlaubt” (Deutsche UNESCO-Kommission, 2013, S. 6).
Die UNESCO ist auch die Institution, die bereits seit Anfang der 2000er Jahre intensiv zur konzeptionellen Weiterentwicklung und zur Beachtung von OER in der internationalen Bildungspolitik (→ Weiterbildungspolitik) sowie in den nationalen Bildungsprogrammatiken beigetragen hat. In Deutschland wurden OER erst über zehn Jahre später breiter diskutiert und von den bildungspolitischen oder institutionellen Akteuren aufgegriffen. Auf Bundesebene sind insb. von der „Richtlinie zur Förderung von Offenen Bildungsmaterialien (OERinfo)“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) im Jahre 2016 Impulse ausgegangen. OERinfo setzte auf eine breite Sichtbarmachung der Potenziale und auf den Aufbau von → Kompetenzen zur Nutzung, Erstellung und Verbreitung. Im gleichen Jahr wurde auch die vom BMBF in Auftrag gegebene Studie zur Untersuchung der OER-Infrastrukturen vom Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) publiziert.
Konstitutives Element von OER sind offene Lizenzen. Ein mittlerweile weit verbreiteter Lizenz-Standard wird von der Non-Profit-Organisation Creative Commons (CC) veröffentlicht. Autorinnen und Autoren können mit den CC-Lizenzen in abgestufter Form festlegen, wie ihre Bildungsmaterialien verwendet werden dürfen. So können bspw. die kommerzielle Nutzung oder die Veränderung des Materials ausgeschlossen werden; bestimmt werden kann ebenso die Weitergabe nur unter gleichen Bedingungen. Offene Lizenzen schaffen Rechtssicherheit und Transparenz über die beabsichtigte Verwendungsmöglichkeit durch andere. „Das Prinzip der offenen Lizenzierung bewegt sich innerhalb des bestehenden Rahmens des Urheberrechts, wie er durch einschlägige internationale Abkommen festgelegt ist, und respektiert die Urheberschaft an einem Werk” (Deutsche UNESCO-Kommission, 2013, S. 6).
Die Mehrwerte von OER für die Bildungsakteure und weiteren Stakeholder liegen insb. im freien Zugang und der kostenlosen Nutzung, aber ebenso in den Möglichkeiten der Bearbeitung und der Weiterverbreitung durch andere. Aus diesen Mehrwerten leiten sich auch die wesentlichen bildungspolitischen Begründungslinien ab: die Erleichterung des Zugangs zu → Bildung und → Wissen sowie der Beitrag zur größeren Effizienz in Bildungssystemen und -prozessen.
Mit OER sind allerdings noch weitere Potenziale verbunden. OER sind Ausdruck für didaktische → Innovation und Entgrenzung. In ihnen wird eine neue Form des (digitalen) → Lernens und → Lehrens sichtbar, die sich durch das Zusammenwirken von Digitalität, Ko-Kreation und Öffentlichkeit ergibt. Während Lehrmaterialien bislang in erster Linie als ausgedruckte und damit „fertige“ Dokumente verstanden wurden, legen digitale Materialien auch das fluide, gemeinsame Arbeiten und Erschaffen von Lerninhalten nahe, die im Falle von OER gleichsam öffentlich rezipiert werden. OER sind Anlass zur gemeinsamen Auseinandersetzung über → Inhalte ebenso wie über → Methoden und → Medien. Das hat neue didaktische Szenarien und Arrangements zur Folge (→ Didaktik – Methodik) und lässt die klassischen Abgrenzungen von Rollen im Lehr-Lern-Prozess verschwimmen.
In der → Erwachsenen- und Weiterbildung können OER als Weg der Öffnung auf mehreren Ebenen (bspw. institutionell, inhaltlich, methodisch, kollaborativ, ko-kreativ) und als eine Möglichkeit der digitalen Transformation verstanden werden. Im Dreiecksverhältnis von Lernenden, Lehrenden (oder Begleitenden) und Bildungsinstitution vermögen sie zur tragfähigen Gestaltung von Konzepten der Vernetzung, der Kooperation und des Community Buildings beizutragen (→ Netzwerke – Kooperationen).
Literatur
Bundesministerium für Bildung und Forschung. (2016). Richtlinie zur Förderung von Offenen Bildungsmaterialien (Open Educational Resources – OERinfo) (Bundesanzeiger vom 15.01.2016). Berlin: BMBF.
Deutsche UNESCO-Kommission. (Hrsg.). (2013). Was sind Open Educational Resources? Und andere häufig gestellte Fragen zu OER. Bonn: Deutsche UNESCO-Kommission.