Gewerkschaftliche Bildungsarbeit

Jan Krüger

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-127

Die g. B. umfasst die Jugendbildung und Erwachsenenbildung, die vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und seinen acht Mitgliedsgewerkschaften, aber auch von gewerkschaftsnahen Bildungsträgern wie dem Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben e. V. geleistet wird. Die Teilnehmenden an gewerkschaftlicher Bildung erlernen notwendige Handlungskompetenzen (Kompetenz), um sich für eine starke demokratische Kultur in Gesellschaft und Arbeitsstätten sowie für gute Arbeits- und Lebensbedingungen einzusetzen. In diesem Sinn zielt g. B. auf die Erweiterung der persönlichen, betrieblichen und gesellschaftlichen Handlungsfähigkeit. Dabei wollen Gewerkschaften Räume für Meinungsbildung schaffen, Diskussionen initiieren und Beteiligung ermöglichen (Schulz, 2019, S. 15). Bildungsarbeit stellt angesichts rasanter technologischer Entwicklungsprozesse, wachsender Polarisierung der Gesellschaft, zunehmender Verteilungskämpfe und Verunsicherungen in der Bevölkerung (sozialer Wandel) ein unverzichtbares Element gewerkschaftlicher Arbeit dar.

Ein wesentliches Ziel und gleichermaßen Schwerpunkt der gewerkschaftlichen B. ist es, die politische Handlungsfähigkeit von Interessenvertreterinnen und -vertretern in Wirtschaftsbetrieben und Dienststellen im öffentlichen Dienst zu stärken. Dabei geht es um die Verständigung über die individuellen Interessen sowie die Ziele und strategische Ausrichtung der gewerkschaftlichen Arbeit. Neben fachlichem Wissen aus Arbeitsrecht, Tarifpolitik oder Ökonomie stehen auch soziale und kommunikative Kompetenzen im Fokus. So schafft die g. B. bspw. die Grundlage, mit der Gewerkschaften, Betriebsrats- oder Personalratsgremien sowie Beschäftigte den beiden Treibern der Transformation – der Digitalisierung und dem Klimawandel (Nachhaltigkeit) – begegnen können.

G. B. ist zugleich politische Bildung, denn das Ziel ist es, die Informationen, das Wissen und die erlernten Kompetenzen im gesamtpolitischen Kontext zu sehen und übergreifende Verbindungen zwischen den Themen zu schaffen. In diesem Sinne weist sie über reines Faktenwissen bspw. zum politischen System hinaus. Der Fokus gesellschaftlicher B. liegt weniger auf der Akzeptanz bestehender gesellschaftlicher Systeme bei den Teilnehmenden, sondern betont die kritische Auseinandersetzung mit Widersprüchen sowie die Möglichkeiten der Veränderung politischer und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen (Allespach, Meyer & Wentzel, 2009).

Seit den Anfängen der Arbeiterbewegung im 19. Jh. ist Bildung ein fester Bestandteil gewerkschaftlicher Arbeit (Geschichte der Erwachsenenbildung in Deutschland – bis 1918). Die damals in ganz Deutschland entstehenden Arbeiterbildungsvereine (Arbeiterbildung) vertraten ein Bildungsverständnis mit emanzipatorischem Ziel: Bildung sollte die Selbstbefreiung der Arbeiterinnen und Arbeiter aus unwürdigen gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen ermöglichen – nach dem Motto „Wissen ist Macht“ (Wilhelm Liebknecht).

Heute zählt der DGB mit seinen acht Mitgliedsgewerkschaften zu den größten Trägern politischer Bildung in Deutschland. Insgesamt haben die Gewerkschaften zurzeit 23 Bildungsstätten. Eine größere Zahl von Bildungsangeboten findet darüber hinaus in angemieteten Häusern statt. Sie werden oft von ehrenamtlichen Lehrkräften geleitet (Ehrenamt). Dabei erreicht g. B. auch Zielgruppen, die in der politischen Erwachsenenbildung ansonsten unterrepräsentiert wären.

Generell fokussieren die Gewerkschaften auf Bildungsangebote in Form von Wochen- oder Wochenendseminaren. Aufgrund steigender Arbeitsverdichtung stellt Zeit für die Beschäftigten jedoch eine knappe Ressource dar, und die Freistellung von der → ­Arbeit für Bildungszwecke wird von Arbeitgeberseite nicht immer ermöglicht. So nehmen kürzere, aber auch digitale Formate (digitales Lernen) in der gewerkschaftlichen B. zu.

Der DGB und die Mitgliedsgewerkschaften setzen sich daher auch für mehr Bildungszeit ein. So erwirkten sie, dass im Betriebsverfassungsgesetz von 1972 die Bezahlung der Qualifizierung von Betriebsräten durch die Arbeitgeber festgeschrieben wurde. Gleichzeitig haben sich die Gewerkschaften auch für Bildungszeit-Gesetze auf Bundes­land­ebene eingesetzt; mittlerweile verfügen alle Bundesländer – bis auf Sachsen und ­Bayern – über solche Gesetze.

Literatur

Allespach, M., Meyer, H. & Wenzel, L. (2009). Politische Erwachsenenbildung: Ein subjektwissenschaftlicher Zugang am Beispiel der Gewerkschaften. Marburg: Schüren.

Sander, W. & Steinbach, P. (Hrsg.). (2014). Politische Bildung in Deutschland. Profile, Positionen, Institutionen (Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung, Bd. 1449). Bonn: bpb.

Schulz, I. (Hrsg.). (2019). Industrie im Wandel – Bildungsarbeit in Bewegung. Frankfurt a. M.: Bund.

Gesundheitsbildung
Gruppendynamik