Evangelische Erwachsenenbildung

Michael Glatz

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-092

E. E. beschreibt sowohl die Gesamtheit „professionelle[n] Bildungshandeln[s] mit Erwachsenen in evangelischen Organisationen“ (Comenius-Institut, 2019, S. 20) als auch institutionalisierte Strukturen von Einrichtungen und Organisationen in evangelischer Trägerschaft. E. E. beteiligt sich am Diskurs zur gesellschaftlichen Verortung von Religion (konfessionelle Erwachsenenbildung).

Aufgabe der evangelischen E. ist es, der Verbindung von Glaube und Vernunft sowie der Erfahrung von Transzendenz im Rahmen von Bildungsprozessen im Erwachsenenalter einen öffentlichen Ort zu geben. E. E. beteiligt sich an Debatten um die gesellschaftliche Relevanz von Religion. Mit ihren Angeboten befähigt sie zu Sprachfähigkeit, der Förderung von konstruktiven Haltungen und Verständnis (ebd., S. 9–11). Auf lokaler bzw. regionaler Ebene konkretisiert sie sich in der Bildungsarbeit von Familienbildungsstätten (Familienbildung), Bildungswerken, Kirchengemeinden und evangelisch getragenen Akademien, auf übergeordneter Landes- und Bundesebene in Landesorganisationen, Vereinen und Verbänden. E. E. versteht sich sowohl als Teil kirchlichen Handels als auch als Bestandteil öffentlich verantworteter Weiterbildung (öffentliche Verantwortung), umfasst in ihrem weiteren Sinne aber auch Akteure außerhalb der Förderung durch entsprechende Weiterbildungsgesetze.

Die Herausbildung der evangelischen E. setzt zu Beginn des 20. Jh. ein. Ausgangspunkte sind einerseits Bildungsaktivitäten kirchlicher Vereine und Verbände im Rahmen ihrer religiösen und sozialen Aufgaben. Andererseits speist sich die e. E. aus Initiativen von Laien und Geistlichen, die sich der Volksbildung zuwandten. Mit der veränderten Rechtsstellung von Kirchen in der Weimarer Republik entstand die Grundlage für Institutionalformen (Institutionalisierung) von evangelischer E.: evangelische Heimvolkshochschulen ab 1919, evangelische Akademien seit 1945 sowie regionale Bildungsstätten ab etwa 1960. Mit der einsetzenden Ländergesetzgebung zur Weiterbildung (Recht der Weiterbildung) in den 1970er Jahren war der Impuls für die Entstehung weiterer Organisationstypen gegeben. Auf der Ebene von Landeskirchen oder Bundesländern nehmen seitdem Landesorganisationen die Vertretung der evangelischen E. gegenüber den Bundesländern wahr. Als Zusammenschluss auf Bundesebene wurde 1961 die Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (DEAE) gegründet. Sie versteht sich als Ort für den Diskurs über bildungspolitische Entwicklungen in Bund, Bundesländern und Kirchen und bietet den Fachleuten für Erwachsenenbildung im evangelischen Kontext eine Plattform, um neue Perspektiven für ihre Arbeit an der Schnittstelle von Politik, Kirche, Gesellschaft und Wissenschaft zu entwickeln.

Konzeptionell fokussiert die e. E. die Orientierungs-, Entscheidungs- und damit Handlungskompetenz (Kompetenz) der Individuen. Das Prinzip selbstverantwortlichen Han­delns des einzelnen Individuums vor Gott und den Menschen führt zum zentralen Begriff der „Lebensführung“ bzw. der „lebenspraktischen Bildung“ und einem vom autonomen Subjekt (Autonomie) ausgehenden Bildungsverständnis. Die Programmstruktur (Programme) der evangelischen E. knüpft an persönlichen Interessen und Lebensfragen an und verbindet diese mit Themen von gesellschaftlicher Relevanz.

Statistisch erfasst werden bundesweit 415 Einrichtungen (Jahr 2018) der evangelischen E. In 320 dieser Einrichtungen, aus denen detaillierte Daten vorliegen, wurden im Jahr 111 Tsd. Veranstaltungen mit mehr als 2,3 Mio. Teilnehmenden umgesetzt. Inhaltliche Schwerpunkte der evangelischen E. liegen in den Themenbereichen Religion – Ethik, Kultur – Gestalten, Familie – Generationen und Politik – Gesellschaft (Christ, Horn & Lux, 2020).

Literatur

Christ, J., Horn, H. & Lux, T. (2020). Weiterbildungsstatistik im Verbund. Ergebnisse für das Berichtsjahr 2018 (Reihe DIE Survey. Daten und Berichte zur Weiterbildung, Bd. 8). Bielefeld: wbv Publikation.

Comenius-Institut. (Hrsg.). (2019). Evangelische Erwachsenenbildung. Empirische Befunde und Perspektiven (Reihe Evangelische Bildungsberichterstattung, Bd. 3). Münster: Waxmann.

Evaluation
Exemplarisches Lernen