Erträge von Erwachsenen- und Weiterbildung

John Field

DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-078

Wissenschaftliche Untersuchungen zu den Erträgen von Erwachsenen- und Weiterbildung beschäftigen sich mit dem Transfer des Gelernten in andere Kontexte (z. B. Arbeitsmarkt, gesellschaftliches Umfeld, Politik, Familienleben) sowie mit seiner dortigen Anwendbarkeit. Dieses Forschungsgebiet ist in den letzten Jahren sowohl in Umfang als auch in Komplexität und Reichweite erheblich expandiert. Dabei wird in zunehmendem Maß das Augenmerk auf die Analyse empirischer Evidenz gelegt.

Forschung, die auf die E. von Erwachsenen- und Weiterbildung fokussiert, ist konzeptionell und methodisch stark durch die Wirtschaftswissenschaften, insb. die Humankapitaltheorien (Humankapital), geprägt. Diese gehen auf Ökonomen der 1960er Jahre zurück, die argumentierten, ihre Disziplin habe die menschliche Dimension der wirtschaftlichen Aktivität vernachlässigt und Investitionen in Bereiche wie Gesundheit und Bildung könnten messbare ökonomische Resultate erzielen. Die meisten frühen Studien im Rahmen der Humankapitaltheorien beschäftigten sich mit den Bildungsphasen in Schule und Universität und konzentrierten sich auf den Vergleich von Kosten und Nutzen (Wirtschaftlichkeit), wobei Letzterer i. d. R. an den Lohnunterschieden von Arbeitnehmerinnen und -nehmern bemessen wurde. Diese Herangehensweise wirkte sich auf die Bewertung der Aus- und Weiterbildung aus Unternehmenssicht aus, bei der es zumeist um die vergleichende Darstellung der E. unterschiedlicher Lehrtechniken und -methoden (Methoden) ging.

Methodisch ist das Gebiet durch eine große Vielfalt an Forschungsansätzen gekennzeichnet (Forschungsmethoden). Viele frühere Studien sind qualitativer Natur, stützen sich auf Interviews mit Teilnehmenden oder verwenden einfache statistische Methoden, z. B. Umfragen zur Zufriedenheit. Eine Reihe neuerer Studien beruht auf der Analyse von Large-Scale-Daten (Large Scale Assessments) durch anspruchsvolle statistische Modellierungen, die größtenteils in der Ökonometrie entwickelt wurden, und beinhalten Vergleiche zwischen Teilnehmenden und Nicht-Teilnehmenden. Bei den verwendeten Datensätzen handelt es sich um eine Kombination aus Erhebungen mit spezifischem Fokus auf (Erwachsenen-)Bildung, z. B. das Nationale Bildungspanel (NEPS), die Umfrage der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) zu Kompetenzen von Erwachsenen (Programme for the International Assessment of Adult Competencies, PIAAC) und die Europäische Erhebung zur Erwachsenenbildung (Adult Education Survey, AES), sowie aus Erhebungen zur Erfassung allgemeiner sozialer und ökonomischer Daten, in denen auch die Erwachsenenbildung abgebildet wird, z. B. die UK-Haushalts-Langzeitstudie Understanding Society. Andere neuere Studien qualitativer Art stützen sich auf Lebenslauftheorien (Lebenslauf) aus den Sozialwissenschaften oder versuchen die Rolle und Bedeutung von Lernen in den Biografien der Teilnehmenden zu erforschen. Zumeist untersuchen diese Studien die subjektiven Erfahrungen und Auffassungen der Teilnehmenden und beziehen sowohl informelles und implizites als auch formales Lernen ein (formale – non-formale – informelle Bildung). Sie stellen die Erwachsenenbildung in den größeren Zusammenhang des Lebenslaufs der Teilnehmenden.

Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Studien, die einen Methoden-Mix verwenden. Besonders einflussreich ist eine Reihe von Studien des Centre for Research on the Wider Benefits of Learning an der Universität London, das von 1999 bis 2010 publizierte. In vielen seiner Forschungsprojekte werden statistische Modellierungen auf der Basis von Längsschnittdaten mit Transkripten von Einzel- und Gruppeninterviews kombiniert. Bekannt wurde das Centre durch eine Reihe von Datenanalysen aus Längsschnitterhebungen und Haushaltsbefragungen, in denen der Nutzen von Bildung für Bereiche wie körperliche und geistige Gesundheit, Wohlbefinden, Elternschaft, sozialer Zusammenhalt, bürgerliches Engagement und Kriminalität untersucht wird. Die Zielsetzung des Centre verband wissenschaftliche Forschung mit politischem Dialog – diese Ausrichtung spiegelte sich auch in der Verwendung des Begriffs „Nutzen“ des Lernens anstatt des neutraleren Begriffs „Wirkung“ wider.

Die Ergebnisse des Centre belegen weitgehend, dass Erwachsenenbildung zahlreiche positive Auswirkungen auf das Leben der Teilnehmenden hat. Nachfolgende Untersuchungen, die sich auf den Ansatz des Centre stützen, können diese Ergebnisse tendenziell bestätigen, obwohl dabei andere Datensätze oder Methoden eingesetzt wurden. Einige jüngere Studien konzentrieren sich auf bestimmte Bevölkerungsgruppen, v. a. auf ältere Erwachsene, und untersuchen, ob Weiterbildung der körperlichen und geistigen Degeneration entgegenwirken kann ( Entwicklungspsychologie im Erwachsenenalter).

In relativ kurzer Zeit haben sich Studien zu den Erträgen von Erwachsenen- und Weiterbildung zu einem breiten und gut etablierten Forschungsbereich entwickelt. Dieser befindet sich an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Politik (wissenschaftliche Politikberatung) und ist auch für die Praxis von erheblicher Bedeutung. Darüber hinaus schließt er an einige Disziplinen außerhalb des Bildungsbereichs an. Eine Reihe von Fragen bleibt jedoch offen, v. a. jene nach den kausalen Beziehungen und nach den konkreten Gründen für die positiven Wirkungen von Weiterbildung.

Literatur

Field, J. (2011). Researching the benefits of learning: the persuasive power of longitudinal studies. London Review of Education, 9(3), 283–292.

Schrader, J., Ioannidou, A. & Blossfeld, H. P. (Hrsg.). (2020). Monetäre und nicht monetäre Erträge von Weiterbildung. Wiesbaden: Springer VS.

Schuller, T., Preston, J., Hammond, C. & Bassett-Grundy, A. (2004). The benefits of learning. The impact of education on health, family life, and social capital. Abingdon (GB): Routledge.

Ermöglichungsdidaktik
Erwachsenenbildung – Weiterbildung