Rolf Arnold
DOI: https://doi.org/10.35468/wbeb2022-066
Die D. ist die Wissenschaft vom lernwirksamen Lehren und Unterrichten bzw. die Wissenschaft von der kompetenzbildenden Lernbegleitung. Wortgeschichtlich stammt der Begriff vom griechischen Verb didaskein ab, welches sowohl „lehren, unterrichten“ als auch „lernen, belehrt werden“ bedeutet. Didaktische Konzeptionen beschreiben deshalb die Wechselwirkung von → Lehren und → Lernen im unterrichtlichen Interaktionsprozess (→ Unterricht).
Die „Erwachsenendidaktik“ (Tietgens, 1992) bezieht sich auf das Lehren und Lernen im Erwachsenenalter, wobei der Begriff (nicht: „Erwachsenenbildungsdidaktik“) bereits verdeutlicht, dass gerade Erwachsene auch weitgehend außerhalb und unabhängig von institutionalisierten Lehrveranstaltungen – im → Alltag, am Arbeitsplatz (→ Lernen am Arbeitsplatz), informell, selbstgesteuert und autodidaktisch (→ Selbstorganisation – Selbststeuerung – Selbstlernen) – lernen. Folgt man einer neueren Definition, so kann man D. auch als „Subjektwissenschaft“ definieren: „Als solche wendet diese sich nicht länger bloß den Anforderungs- bzw. Inhaltsstrukturen zu, sondern bemüht sich um ein tieferes Verständnis der subjektiven Bedingungen einer wirksamen Aneignung im Sinne der gelingenden Anverwandlung erweiterten Wissens und Könnens“ (Arnold, 2017, S. 44). Dabei sind Erwachsene „lernfähig, aber unbelehrbar“, wie Siebert (2015) konstatierte. Die Vermittlung zwischen der Sachlogik des Inhalts und der Psychologik der Lernenden kann durch didaktisches Handeln der für das Arrangement bzw. die Inszenierung von Lehr-Lern-Prozessen verantwortlichen Lehrenden zwar ermöglicht, nicht aber gewährleistet werden (Arnold & Schön, 2019).
Die für die Schulpädagogik entwickelten didaktischen Modelle gehen von einem unterschiedlich weiten Verständnis von D. aus und bestimmen auch das Verhältnis zwischen D. und M. in einer jeweils spezifischen Art und Weise. Während die der geisteswissenschaftlichen → Pädagogik entstammenden bildungstheoretischen Ansätze D. im engeren Sinne als eine Theorie der Bildungsinhalte definierten (→ Inhalte – Themen) und sich demzufolge auf die Bestimmung und Legitimation des „Was“ konzentrierten (z. B. Klafki, 1958), gehen die einer lerntheoretischen D. nahestehenden Konzeptionen in ihrem Strukturmodell des Lehr-Lern-Prozesses von einem weiteren Begriffsverständnis aus. In diesem Strukturmodell firmiert der Inhalt gleichberechtigt neben den anderen didaktischen „Entscheidungsfaktoren“, also solchen Faktoren, über deren Auswahl und Form i. d. R. die Lehrenden „entscheiden“ können (→ Lehr-Lern-Ziele; → Medien in Lehr-Lern-Prozessen; → Methoden). Dem Lerninhalt kommt also nicht, wie in der bildungstheoretischen
D., eine Vorrangstellung zu. D. hat in diesem Strukturmodell die Funktion, das Zusammenwirken dieser prinzipiell „entscheidbaren“ Faktoren zu analysieren, zu beschreiben und zu konzipieren. Damit nimmt diese D.-Konzeption einiges von dem vorweg, was die systemischen Lerntheorien und D.-Konzepte seit den 1990er Jahren differenzierter in den Blick nehmen (→ systemische Erwachsenenbildung).
Während im bildungstheoretischen Verständnis von D. die M. als Weg (vom griechischen Wort methodos „der Weg“) gegenüber den Bildungsinhalten eine untergeordnete, dienende Funktion erfüllt, steht die M. im lerntheoretischen D.-Modell in einer Wechselbeziehung mit den anderen didaktischen Faktoren. Es sind auch Lernprozesse denkbar, in denen es nicht in erster Linie um die Aneignung geht, sondern um Aneignung und Übung methodischer → Kompetenzen (z. B. Lern-, Erschließungs-, Problemlösungskompetenz) und/oder um die Stärkung des Selbstwirksamkeitserlebens und der Ich-Kräfte der Lernenden. Gerade im Zusammenhang mit der Entwicklung von → Schlüsselqualifikationen sind Konzeptionen einer methodenorientierten Erwachsenendidaktik stärker in den Vordergrund gerückt; auch im Kontext der systemisch-konstruktivistischen D. ist diese Akzentverschiebung deutlich spürbar (Arnold & Stroh, 2017). Die von der bildungstheoretischen D. entwickelten Leitfragen an den Gegenstand, mit deren Hilfe geprüft werden kann, ob ein Gegenstand es „wert“ ist, im Lernprozess einer bestimmten Teilnehmergruppe eine Rolle zu spielen, sind auch für die Erwachsenenbildung von Bedeutung. Entsprechende Überlegungen haben ihren Niederschlag in den für das Erwachsenenlernen maßgeblichen didaktischen Prinzipien der Erfahrungsorientierung (→ Erfahrungen – Erfahrungsorientierung) und des Lebensweltbezugs (→ Lebenswelt) sowie der Anwendungsorientierung (→ handlungsorientierte Didaktik) und der → Teilnehmerorientierung gefunden. Mithilfe dieser didaktischen Prinzipien hat die Erwachsenendidaktik Kriterien definiert, die es auch ermöglichen, dem bildungstheoretischen Anliegen der Inhaltslegitimation gerecht zu werden und die Frage zu klären, welche Bedeutung der Lerngegenstand bereits jetzt im Leben der Lernenden hat (Erfahrungsorientierung und Lebensweltbezug), welchen er für ihre Zukunft hat (Anwendungsorientierung) und welche Bedeutung ihm für das Verständnis anderer und weiterführender Inhaltsbereiche zukommt (→ exemplarisches Lernen).
Dem didaktischen Prinzip der Teilnehmerorientierung kommt dabei eine Leitfunktion zu: In ihm ist der Anspruch der Erwachsenendidaktik verdichtet, dass Bildung Erwachsener nur in Maßnahmen gelingen kann, in denen die → Teilnehmenden tatsächlich ein Korrektiv des Planbaren im Lernprozess sind. In solchen Maßnahmen sind Partizipationsmöglichkeiten gegeben, da subjektive und soziobiografische Bedingungen im Lernprozess berücksichtigt (Bezug zur → Identität), im Hinblick auf Kompetenzen und → Autonomie ernst genommen (Abbau des überflüssigen pädagogischen Gefälles) und in der Lernsituation aktiviert werden. Eine besondere Variante der Inhaltslegitimation liefert die curriculare D. (→ Curriculum), die auch in der Erwachsenenbildung (insb. in der → beruflichen Weiterbildung) Bedeutung erlangte. Sie erhebt das didaktische Prinzip der Anwendungsorientierung (bisweilen auch als „Praxisbezug“ oder „Bedarfsorientierung“ bezeichnet) zum erwachsenendidaktischen Leitprinzip und misst die Inhalte an ihrem prospektiven Beitrag zur Bewältigung späterer Lebenssituationen. Das Problem der curricularen D., welches sich gerade in Zeiten rasanter Alterungsraten im Bereich berufsrelevanten Fachwissens drastisch verschärft, ist allerdings die Prognostik. Es gab und gibt deshalb in der → Berufsbildung immer wieder skeptische Positionen, die die Auffassung vertreten, dass die beste Form einer Anwendungs- bzw. Bedarfsorientierung die Nichtorientierung an einem (derzeitigen) Bedarf sei. Gleichzeitig wird das methodenorientierte Lernen erwachsenendidaktisch aufgewertet, wobei davon ausgegangen wird, dass Erwachsenenlernen insb. im Hinblick auf die erwähnten rasanten – bisweilen sogar disruptiven – Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, Fachwissen (Know-how) nicht mehr zeitgerecht vermittelt werden kann, sondern sich vielmehr auf die Vermittlung methodischer Kompetenzen (Know-how-to-know) konzentrieren solle. Das Erwachsenenlernen erhält so mehr und mehr (auch) die Funktion, Erwachsene auf die Selbstanpassung an den Wandel in der Berufs- und Lebenswelt vorzubereiten (→ Individualisierung).
Für das Verhältnis von D. und M. ist es wesentlich, dass inhaltliche Entscheidungen in Lehr-Lern-Prozessen oft nicht losgelöst von methodischen Überlegungen getroffen werden können, denn was im Lehr-Lern-Prozess nicht „inszenierbar“ ist, kann auch nicht vermittelt und angeeignet werden. Umgekehrt legen bestimmte Fächer oder Themen bereits bestimmte methodische Zugänge nahe und schließen andere aus. So können z. B. manche beruflichen Fertigkeiten nicht wirksam angeeignet werden, wenn sie nicht auch selbsttätig geübt und angewendet werden können. Ebenso wenig können Kommunikationstechniken in einem Frontalunterricht vermittelt und verbessert werden. Didaktische und methodische Fragen müssen bei der Planung und situativen Gestaltung von Erwachsenenlernprozessen deshalb gleichzeitig bedacht und entschieden werden, wobei nicht übersehen werden darf, dass die → Teilnehmenden bei wachsender methodischer Kompetenz eine mitentscheidende und mitgestaltende Funktion übernehmen. Eine stärkere Gewichtung der M. gegenüber der D. bis hin zu ausdrücklich methodenorientierten Erwachsenenbildungsangeboten (→ Lernstrategien und Arbeitstechniken, Problemlösung, Kooperation und Kommunikation usw.) gewinnt auch mit dem Anspruch einer umfassenden Kompetenz- sowie Persönlichkeits- und Haltungsentwicklung der Lernenden eine wachsende Bedeutung. Erwachsenenbildung soll – so der dabei artikulierte Anspruch – selbstgesteuertes Lernen (→ Selbstorganisation – Selbststeuerung – Selbstlernen) ermöglichen, indem sie subjektseitig die Voraussetzungen für ein solches Lernen zu schaffen hilft (Methodenkompetenz) und gleichzeitig Lernarrangements bereitstellt, die ein solches selbstorganisiertes Lernen ermöglichen. Die Bedingungen, Möglichkeiten und Begrenzungen einer entsprechenden → Ermöglichungsdidaktik des Erwachsenenlernens weisen auch den Kursleitenden, Dozentinnen und Dozenten, Referentinnen und Referenten veränderte Funktionen als Coaches (→ Coaching), Lernberatende (→ Beratung im Kontext lebenslangen Lernens), Begleitende, Arrangierende oder als facilitators (Ermöglichende) weitgehend selbstgesteuerten Lernens zu (Arnold, 2012).
Neben den die Lehr-Lern-Situation unmittelbar betreffenden mikrodidaktischen Fragen werden seit den 1970er Jahren in der Erwachsenenbildungsdebatte auch die Meso- und die Makrodidaktik als eigenständige Entscheidungs- und Gestaltungsfelder erwachsenendidaktischen Handelns angesehen (→ didaktische Handlungsebenen). Beide Begriffe werden nicht einheitlich verwendet. Während der Bereich der → Programmplanung und der Angebotsentwicklung (→ Angebot) häufig als „Makrodidaktik“ bezeichnet wird, finden sich auch Lesarten, die von „Mesodidaktik“ sprechen und den Begriff der „Makrodidaktik“ zur Kennzeichnung des institutionellen Rahmens der für Erwachsenenbildung relevanten Gesetze (→ Recht der Weiterbildung), Finanzierungsregelungen (→ Finanzierung der Weiterbildung), Werbemaßnahmen (→ Marketing; → Öffentlichkeitsarbeit) usw. verwenden. Damit das Angebot einer Bildungsinstitution den Bedarf einer Region bzw. der anvisierten Zielgruppen „trifft“ und zudem den institutionellen Selbstansprüchen (Leitbild) und den dahinterstehenden wirtschaftlichen Erwartungen (→ Wirtschaftlichkeit) zu entsprechen vermag, müssen nach Siebert (1982) Entscheidungen getroffen werden über: „1. Zielsetzungen und thematische Schwerpunkte der Einrichtung, 2. Die Zuordnung, Differenzierung und Stufung von Veranstaltungen (z. B. Grund- und Aufbaukurse, Verbindung von politischer Bildung und beruflicher Bildung), 3. Die Lernvoraussetzungen der Zielgruppe und die Teilnehmerwerbung, 4. Die Auswahl und Beratung der Dozenten, 5. Die Auswahl aus vorhandenen überörtlichen Richtlinien, Zertifikatskursen und curricularen Empfehlungen.“ Auch die Planung, Konzipierung und Gestaltung einzelner Lern- bzw. Fachbereiche (z. B. Fremdsprachen) ist dieser didaktischen Handlungsebene zuzuordnen und hat einen starken Bezug zu fachdidaktischen Besonderheiten bzw. Prinzipien (→ Fachbereich – Fachdidaktik).
Die meso- bzw. makrodikaktischen Entscheidungen sind i. d. R. von den hauptberuflichen pädagogischen Mitarbeitenden oder Referentinnen und Referenten zu treffen, deren Zuständigkeit oft mit dem Begriff des „Disponierens“ charakterisiert wird und die planerischen und organisatorischen Aufgaben im Zusammenhang mit der Realisierung von Bildungsangeboten umfasst (→ Bildungsmanagement). Die eigentlichen mikrodidaktischen Entscheidungen werden von den Kursleitenden, Referentinnen und Referenten oder Dozentinnen und Dozenten getroffen (→ Kursleitende – Trainer – Beratende), wobei diese zumeist relativ frei entscheiden und handeln können. Erst allmählich greift eine Perspektive der → Personalentwicklung, welche diese Akteure erwachsenendidaktisch begleitet, weiterbildet oder auch zur Realisierung einer bestimmten (z. B. vom Leitbild her nahegelegten) Erwachsenendidaktik „verpflichtet“.
Literatur
Arnold, R. (2017). Entlehrt euch! Ausbruch aus dem Vollständigkeitswahn. Bern (CH): hep.
Arnold, R. (2012). Ermöglichen. Texte zur Kompetenzreifung. Baltmannsweiler: Schneider.
Arnold, R. & Schön, M. (2019). Ermöglichungsdidaktik. Ein Lernbuch. Bern (CH): hep.
Arnold, R. & Stroh, C. (2017). Methoden systemischer Erwachsenenbildung. Baltmannsweiler: Schneider.
Siebert, H. (2015). Erwachsene – lernfähig, aber unbelehrbar. Was der Konstruktivismus für die politische Bildung leistet. Schwalbach/Ts.: Wochenschau.
Siebert, H. (1982). Programmplanung als didaktisches Handeln. In E. Nuissl (Hrsg.), Taschenbuch der Erwachsenenbildung (S. 100–121). Baltmannsweiler: Schneider.
Tietgens, H. (1992). Reflexionen zur Erwachsenendidaktik. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.
Hippel, A. von, Kulmus, C. & Stimm, M. (2019). Didaktik der Erwachsenen- und Weiterbildung. Paderborn: Ferdinand Schöningh.